Weihnachtserinnerungen


Das Christkind in der Fremde

Ich habe bei Becherschimmer
Gestern allein gewacht
Und habe wohl, wie immer,
An Schlachten und Stürme gedacht.

Der Wein, der kraftgewürzte,
War hell wie Heldenblut,
Doch, je mehr ich hinunterstürzte,
Je trüber ward mein Mut.

Ich mocht' es nicht mehr tragen,
Ich ging in die Nacht hinein;
Lichtwellen sah ich schlagen
Aus Fenster und Fensterlein.

Da sah wie ein Bettlerkind ich
In jeden erhellten Raum;
Wo meine Mutter find' ich,
Wo steht mein Weihnachtsbaum?

Und als ich kam nach Hause,
Was ist das in aller Welt?
Da war in meiner Klause
Ein jedes Fenster erhellt.

Und als ich trat ins Zimmer,
Da war's nicht mehr ein Traum,
Da stand im vollsten Schimmer
Der schönste Weihnachtsbaum.

Und an dem Strahl der Kerzen,
Da fühlt' ich, wie zerschmolz
Im sturmbegierigen Herzen
Der wilde, sehnende Stolz.

Es war so mild zu schauen,
wie jedes Lichtlein glomm,
In die Augen tät' mir tauen
Ein Fühlen kindesfromm.

Mir war's, als dürft' ich träumen,
Ich sei nicht mehr verwaist,
Und es webte in den Räumen
Meiner Mutter süßer Geist.

Doch die den Baum mir stellten
In meine öde Nacht,
Mag's ihnen Gott vergelten,
Wie selig sie mich gemacht!

Moritz von Strachwitz


Zu Weihnachten

So kommst du in mein altgewordnes Leben,
Kommst wieder, Weihnacht, selig Kinderfest,
Willst mir den ersten Traum noch einmal geben,
Hältst lächelnd noch das Kind im Manne fest!

Wenn's Frühling wird, halt ich mein Weib im Arm
Und feire Auferstehungsfest hinieden.
An ihrem jungen Herzen treu und warm
Hat mir der Herr ein Frühlingsfest beschieden.

Jetzt geht er um mit stiller Geistesmacht,
Und horcht und klopft und lauscht nach seinen Lieben.
Er flüstert in der dunklen Winternacht:
Ihr alten Kinder, seid ihr wach geblieben?

Will sich der Lenz an meines Weibes Herzen
Dem alten Menschen fröhlich jung erneu'n:
Oh, lasst mich auch für herbe Winterschmerzen,
Lasst mich ein Kind mit meinen Kindern sein!

Gustav Kühne


Christabend

Wie die hellen Lichter scheinen!
Und die Kinder sind gekommen,
All die großen, all die kleinen,
Haben ihr Geschenk genommen.

Spielwerk bringt es uns zum Spielen,
Das geliebte Wunderkind.
Spielen mögen wir und fühlen,
Dass wir wieder Kinder sind.

Süße Früchte fremde Blüten
Trägt es in der zarten Hand,
Wie sie Engel ziehn und hüten
In dem sel'gen Himmelsland.

Und so hat es tausend Gaben
Allen Menschen mitgebracht,
Alle Herzen zu erlaben
In der hochgelobten Nacht.

Auch Versöhnung, ew'ges Leben,
Trost und Freiheit, Gnadenfüll',
Gottes Wort, umsonst gegeben
Jedem, welcher hören will.

Nimmer kann ich euch vergessen,
All ihr schönen Christgeschenke!
Abgrund, reich und unermessen,
Drein ich liebend mich versenke.

Max von Schenkendorf


Weihnachtsspaziergang

Täglich fast aus meines Dorfes Frieden,
wo ich zwischen Feld und Büsche wohne,
wo ich sieben Nachtigallen höre,
wo mich Fink und Amsel lang schon kennen
und mich keck beäugen, wenn ich nahe,
wo die Welt im Sommer eine Laube
und ein silberweißer Dom im Winter,
wo vom Schreibtisch ich den Habicht schweben
sehe durch des Himmels große Stille -
Täglich fast aus meines Dorfes Frieden,
wo ich Ruhe, Traum und Klarheit atme,
lenk' ich meinen Schritt zur nahen Weltstadt,
um zu fühlen, was ich sonst vergäße,
dass die Welt nicht Klarheit, Traum und Frieden,
nicht ein heimlich Wohnen zwischen Hecken,
ach, kein Spiel mit Fink und Drossel ist.
In das weite, wilde Meer der Menschen
Tauch' ich unter dann und lass mich treiben.
Ja, sie sind wie windverstörte Wellen;
Eine will die andre überrennen,
und am letzten Strand zerschäumen alle.
Wie sie jagen, stoßen, knirschen - wie sie
Not und Habsucht durcheinander wirbelt!

Nur geradeaus den Blick gerichtet,
drängen sie und trappeln sie und traben,
sehen nicht das stille Leben fluten,
sehn nicht, wie es stumm zu beiden Seiten
fließt und fließt ins große Meer der Stille,
ewig ungelebt und ungenossen.
Ach, sie leben nicht - nur, um zu leben!
Vorwärts, vorwärts nur den Blick gerichtet,
treibt es sie die schattenlose Straße
fort, hinweg vom Schoß der großen Mutter.
Und versunken in des wilden Meeres
tote Tiefen ist die alte Kunde,
dass ein Glück sich dehnt in leichten Lüften,
Friede wandert zwischen Halm und Hecken,
dass ein off'nes, frohes Menschenauge
wie ein See des Paradieses glänzt.

Einmal nur im Jahre find' ich's anders!
Brach herein der Weihnacht heil'ge Frühe,
nehm ich Hut und Stock und wandre fröhlich
in die große Stadt. So tat ich heute.
Drängen, Treiben seh' ich heut' wie immer,
seh' ein wogend Meer wie alle Tage;
aber auf den Fluten dieses Meeres
ruht wie Sonnenschein ein einzig Lächeln.
Und - o frommes Wunder ohnegleichen,
selbst der Kaufherr, dessen Furcht und Hoffnung
sonst um Indiens Silberminen kreisen,
heimgefunden hat er in den Frieden
einer höhern und stiller'n Welt.

Lächelnd seh ich in entspannten Mienen
und wo Lächeln nicht, doch einen Glauben
an das Lächeln. Starre Blicke seh' ich
wohl wie sonst, allein sie starren glänzend
in ein Licht, das sie allein erschauen.
Welches Glaubens sie und welches Sinnes,
einmal wieder haben sie's vernommen,
einmal glauben sie die frohe Botschaft,
dass ein Glück mag kommen aus den Lüften,
dass ein Friede wohnt in grünen Tannen,
dass ein liebend Wang'-an-Wange-Schmiegen
alle Not beschämt und alles Prangen,
dass ein off'nes frohes Menschenauge
wie ein See des Paradieses glänzt.

Von versunk'nen Städten singt die Sage,
deren Glocken aus der Tiefe klingen.
Geh' ich weihnachts durch den Schwall der Straßen,
dringt durch allen Lärm ein stetes Klingen:
Leise aus verlor'nen Gründen hör' ich
Läuten die versunk'ne Stadt des Glücks.

Otto Ernst


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