Traurige Weihnachtsgedichte


Der armen Kinder Weihnachtslied

Hört, schöne Herrn und Frauen,
die ihr im Lichte seid:
wir kommen aus dem Grauen,
dem Lande Not und Leid;
weh tun uns unsre Füße
und unsre Herzen weh,
doch kam uns eine süße
Botschaft aus Eis und Schnee:
es ist ein Licht erglommen,
und uns auch gilt sein Schein.
Wir haben's wohl vernommen:
das Christkind ist gekommen
und soll auch uns gekommen sein.

Drum gehen wir zu den Orten,
die hell erleuchtet sind,
und klopfen an die Pforten:
ist hier das Christuskind?
Es hat wohl nicht gefunden
den Weg in unsre Nacht,
drum haben wir mit wunden
Füßen uns aufgemacht,
daß wir ihm unsre frommen
Herzen und Bitten weihn.
Wir haben's wohl vernommen:
das Christkind ist gekommen
und soll auch uns gekommen sein.

So laßt es uns erschauen,
die ihr im Lichte seid!
Wir kommen aus dem Grauen,
dem Lande Not und Leid;
wir kommen mit wunden Füßen,
doch sind wir trostgemut:
wenn wir das Christkind grüßen,
wird alles, alles gut.
Der Stern, der heut erglommen,
gibt allen seinen Schein:
das Christkind ist gekommen! -
Die ihr es aufgenommen
o, laßt auch uns zu Gaste sein!

Otto Julius Bierbaum


Zigeuners Weihnachten

Durch das Dunkel des Waldes überm Tannenreis,
da flackert's wie Lichter, so brennend und heiß.
Da traben die Wölfe und bellen und schrei'n
mit eine einsame Christnacht ein -
denn heut soll der Heiland geboren sein.

Müd' lös' ich die Riemen am rissigen Schuh
und lausch den verlorenen Glocken zu.
Durch so viel Land ich auch schon schritt,
stets zog mir das liebliche Märchen mit,
daß Gott am Kreuze für mich auch litt.

Und plötzlich werden die Augen mir naß,
ich wein' und bete und weiß nicht was.
"O du Gottessohn, du Marienkind,
erbarm' dich der Seelen in Wald und Wind,
die so wie ich in der Irre sind!"

Georg Busse-Palma


Des fremden Kindes heiliger Christ

Es läuft ein fremdes Kind
am Abend vor Weihnachten
durch eine Stadt geschwind,
die Lichter zu betrachten,
die angezündet sind.

Es steht vor jedem Haus
und sieht die hellen Räume,
die drinnen schaun heraus,
die lampenvollen Bäume;
weh wird's ihm überaus.

Das Kindlein weint und spricht:
"Ein jedes Kind hat heute
ein Bäumchen und ein Licht,
und hat daran seine Freude,
nur bloß ich armes nicht!

"An der Geschwister Hand,
als ich daheim gesessen,
hat es mir auch gebrannt;
doch hier bin ich vergessen
in diesem fremden Land.

"Läßt mich denn niemand ein
und gönnt mir auch ein Fleckchen?
In all' den Häuserreih'n,
ist denn für mich kein Eckchen,
und wär' es noch so klein?

"Läßt mich denn niemand ein?
Ich will ja selbst nichts haben,
ich will ja nur am Schein
der fremden Weihnachtsgaben
mich laben ganz allein!"

Es klopft an Tür und Tor,
an Fenster und an Laden,
doch niemand tritt hervor,
das Kindlein einzuladen;
sie haben drin' kein Ohr.

Ein jeder Vater lenkt
den Sinn auf seine Kinder;
die Mutter sie beschenkt,
denkt sonst nichts mehr noch minder.
Ans Kindlein niemand denkt.

"O lieber, heil'ger Christ!
Nicht Mutter und nicht Vater
hab ich, wenn du's nicht bist.
O sei du mein Berater,
weil man mich hier vergißt!"

Das Kindlein reibt die Hand,
sie ist von Frost erstarret;
es kriecht in sein Gewand
und in dem Gäßlein harret,
den Blick hinaus gewandt.

Da kommt mit einem Licht
durchs Gäßlein hergewallet,
im weißen Kleide schlicht,
ein ander Kind; - wie schallet
es lieblich, da es spricht:

"Ich bin der heil'ge Christ,
war auch ein Kind vordessen,
wie du ein Kindlein bist.
Ich will dich nicht vergessen,
wenn alles dich vergißt;

Ich bin mit meinem Worte
bei allen gleichermaßen;
ich biete meinen Hort
so gut hier auf den Straßen,
wie in den Zimmern dort.

Ich will dir deinen Baum,
fremd' Kind, hier lassen schimmern
auf diesem offnen Raum
so schön, daß die in Zimmern
so schön sein sollen kaum."

Da deutet mit der Hand
Christkindlein auf zum Himmel,
und droben leuchtend stand
ein Baum voll Sterngewimmel
vielfältig aufgespannt.

So fern und doch so nah,
wie funkelten die Kerzen!
Wie ward dem Kindlein da,
dem fremden, still zu Herzen,
das seinen Christbaum sah!

Es ward ihm wie im Traum;
da langten hergebogen
Englein herab vom Baum
zum Kindlein, das sie zogen
hinauf zum Lichten Raum.

Das fremde Kindlein ist
zur Heimat nun gekehret
bei seinem heil'gen Christ;
und was hier wird bescheret,
es dorten leicht vergißt.

Friedrich Rückert


Christabend

Christabend war's. Ich träume durch die Gassen,
vom Weihnachtsglanz mein Herz durchglüh'n zu lassen.
Mein Herz war fromm, als ob durch jede Flocke
das Bluten einer wunden Seele stockt.

"Frieden auf Erden und den Menschen allen
Glückseligkeit und stilles Wohlgefallen!"
Da, wie ich ging, zerstörte meine Träume
ein Haufen unverkaufter Weihnachtsbäume.

Sie lagen auf dem Pflaster da, vergessen
und schneebedeckt, als wär ihr Grün vermessen,
als schämten sie sich ihrer hellen Farben,
die doch so gern, um heut zu leuchten, starben.

Gleich einer Gauklerschar, im Wald erfroren,
die tief im Schnee den Weg ins Dorf verloren,
so lagen sie und sah'n aus ihrem Dunkel
rings in den Fenstern strahlendes Gefunkel.

Sie lagen da wie unerfülltes Sehnen,
erträumter Schimmer, ausgelöscht durch Tränen,
wie Leid, das wirr um die Erlösung betet,
wie Kinderjauchzen, das der Hunger tötet.

Sie lagen da, verschüchtert und verbittert,
vom Frost des Elends bis in Mark durchzittert,
den Glanz verfluchend, gleich Millionen Seelen,
in denen heut die Friedenslichter fehlen.

Hugo Salus


Weihnachtabend

Hell prangt des Zimmers weiter Raum!
Welch hehre Augenweide!
Und jubelnd um den Tannenbaum
stehn meine Kinder beide.
Wie jauchzen sie von Lust beseelt,
sich freuend jeder Gabe,
o, könnt ich jubeln, doch mir fehlt
mein blondgelockter Knabe.

Vor Jahren in demselben Raum
klatscht' er in seine Hände,
und tanze um den Tannenbaum,
der bot so reiche Spende!
Jetzt scheint mir öde, scheint mir leer
das lampenhelle Zimmer,
der Kerzenglanz, das Lichtermeer,
mir däucht's nur öder Schimmer.

Die Kinder sehn mich fragend an,
was wohl dem Vater fehle?
Ich fasse mich, und lächle dann,
daß ich die Lust nicht schmäle.
Noch hat ihr frisches Kinderherz
von Sorgen nichts erfahren,
doch wird die Zukunft euch den Schmerz
und Kummer nicht ersparen.

Mein Sohn, den ich im Geiste seh',
wer schmückt die heut dein Bette?
Das Eis bedeckt's, und kalter Schnee
fällt auf die Schlummerstätte. -
Dort hängt dein Bild in Jugendzier,
bekränzt hängt's überm Tische,
indes die salz'ge Träne mir
ich von den Wimpern wische.

Heinrich Zeise


Der Großmutter Weihnachtsabend

Großmutter lauscht dem Klang der Weihnachtsglocken
Und hat gedankenvoll ihr Haupt gebeugt,
Es fallen auf die Hand die greisen Locken,
In stiller Rührung wird die Wimper feucht.
Und horch, daneben tönt ein munt'res Lärmen,
Es stürmen ihre Enkel in den Raum
Und drängen jubelnd sich in frohen Schwärmen
Rings um den bunt geputzten Weihnachtsbaum.

In diesen Kindern sprießet frisches Leben
Und reift entgegen einer neuen Zeit,
Hier keimet Kraft, die einst ihr ganzes Streben
Der Menschheit ew'gen Freiheitskampfe weiht;
Für alles Große, Herrliche hienieden,
Wie streiten einst die Knaben stark und kühn,-
Und Herzensreinheit, Sitte, Liebe, Frieden,
Wird einst in diesen Mädchen weiter blühn.

Großmutter denkt der eignen Kinderzeiten,
Sie sieht im Elternhaus den Weihnachtsbaum,
Und bunte Bilder ihres Lebens gleiten
An ihrem Geist vorbei in wachem Traum:
Sie sieht sich glücklich an des Gatten Seite,
Im süßen Heim, das ihr die Lieb' erbaut,
Und fröhlich spielen ihre Knaben beide
Am Weihnachtstisch mit hellem Jubellaut.

Die Eltern hin - der Gatte längst begraben,
Die Söhne tot, mit ihnen tot ihr Glück:
Doch nein, hier reifen ihrer Söhne Knaben,
Wohl reiches Leben ließen sie zurück:
"Mich beugt danieder schon der Jahre Winter,
"Euch blüht empor die goldne Frühlingszeit,
"Für euch die Zukunft, ihr geliebten Kinder,
"Doch mein, doch mein ist die Vergangenheit!"

Großmutter lauscht dem Weihnachtsglockenklange,
Ein seltsam Lächeln spielt um ihr Gesicht,
Sie ahnet wohl, es währet nicht mehr lange,
Bis dass das letzte Glöcklein spricht!
Es färbt ein leises Rot die welke Wange,
Die Hände betend sie gefaltet hält:
Großmutter hat im Weihnachtsglockenklange
Wohl einen Gruß gehört aus jener Welt!

Helene von Engelhardt


Christnacht

Mit Schnee und Reif, so ist sie nun gekommen,
Die heil'ge Nacht.
Am Himmel sind die Lichter schon erklommen,
Der Sterne Pracht.
Still ragt der Tannenwald auf zu des Vaters Thron;
Die Glocken läuten fern: "Geboren ward der Sohn!"

"O Vater, hast du mich, dein Kind vergessen?"
So dacht ich oft;
Hab' in den Tag' und Nächte Qual vermessen
Auf dich gehofft;
Hab' dir gegrollt: ist das ein Vater, der vergisst?
Hab' dir gefleht: Oh, schenk mir einen heil'gen Christ!

Nun bin ich wie der Tannenwald so stille,
So feierlich.
O Vater, denk' ich, dein Erlöserwille
Umhaucht auch mich;
Und was du dieser Welt, der Menschheit zugedacht,
Das ist auch mein Geschenk und meine Weihenacht!

Ich bin ein dürftig Kind aus niedrem Volke,
Glück lacht uns nicht;
Wir sehn so oft, o Herr, nur deine Wolke
Und nicht dein Licht.
Wir trachten oft so heiß: hinauf in freie Luft!
Wir horchen oft so bang, ob der Erlöser ruft.

O schicktest du uns einen, den du weihest,
Durch heil'gen Schmerz,
Den du ins Heer der Auserwählten reihtest,
Ein reines Herz,
Von Mitleid glühend, stark, und bis zum Tode wahr,
Nach deines Sohnes Bild, den diese Nacht gebar!

Und käme der, sein Volk empor zuretten
Aus Pein und Not,
Ihm abzufeilen seiner alten Ketten
Lebend'gen Tod:
O Gott, wie wollt' ich dem getrost ergeben sein,
Wie sollt' sein Völkerruf mich von mir selbst befrein.

Wie wollt' ich ihm mit meinen Tränen netzen
Den staub'gen Fuß,
Von Liedern einen Krank aufs Haupt ihm setzen
Als Rosengruß,
Dass er den Dornenkranz so bitter scharf nicht fühlt.

Doch ihr Verführer! Führer nicht zu nennen!
Ihr, herzensarm,
Am Höhnen, Lästern ihr so leicht zu kennen,
Dass Gott erbarm',
Ihr kalten Seelen, die nur erst der Streit erwärmt,
Ihr könnt nicht heilen, was die armen Brüder härmt.

Ihr wollt' nicht trösten, bessern, nur empören
An jedem Tag,
Das wunde Herz nicht lindern, nur beschwören
Zu wild'rem Schlag;
Ihr hasst der Brüder Glück, das eure Hand nicht gab,
Ihr grabt der mild' und Freud' ein giftgetränktes Grab.

Ach, soll denn nie mehr durch die Welt erschallen
Der Engel Sang?
"Frieden auf Erden, Menschen Wohlgefallen!"
O schönster Klang.
O kläng' er jetzt herab aus dieser Sternennacht,
Die wie ein leuchtend Heer den Schlaf der Welt bewacht.

Die Sterne glühn, die hohen Christfestlieder
An Gottes Baum.
Tief schweigt der Wald, doch mir zur Seele spricht er.
Ich hör's wie Traum.
Ich träum' und ahn' und horch'. Das fromme Herz wird still:
O Vater, walte du, wie's dein Geheimnis will!

Adolf von Wilbrandt


Weihnachts-Resignation

Willkommen denn vor allen Tagen
Des Jahres dieser schönste Tag!
Still', arme Seele, deine Klagen,
Die tief in banger Trübsal lag;
Bann' heute Sorgen und Beschwerden -
Ins Weltmeer senke all dein Leid;
Raff' dich zusammen, Sohn der Erden,
Versuch's noch einmal jung zu werden
Für diese kurze Spanne Zeit.

Ob draußen Wetter uns und Winde
Umstürmen rauen Odems auch,
Durchzieht's doch innen leis und linde
Die Menschbrust wie Frühlingshauch;
Ob Dunkel auch viel tausend Herzen
In seine Schatten hüllt zumal:
Heut senden in die Nacht der Schmerzen
Die lieben hellen Weihnachtskerzen
Des Himmelslichtes einen Strahl!

Drum, die ihr auf kurulischem Sitze
Hoch thront ob niedrer Daseinsspur:
Im Köcher bergt des Krieges Blitze
Seid Menschen heut mit Menschen nur.
Und ziemt dem frohen Feiermute
Des Volks ein kleiner Dämpfer doch -
Die Festzeit haltet ihm zugute:
Gebt ihm vergoldet nur die Rute - -
`s bleibt immer ja `ne Rute noch!

Ihr, deren unumstößlich Credo
Sich gründet auf ein mächtig Heer -
Ihr Sprenginsfelde des Torpedo,
Sinnt heut sein neues Mordgewehr!
Seht da: von Zinn den Vierzigpfünder,
Kommt, werdet wieder einmal Kinder!
Die Truppenschau ist bunt nicht minder,
Und so viel bill'ger doch dabei!

Ihr, der Finanzen ernste Leiter,
Von Ziffern frei bleibt' heut das Hirn;
Das Budget lasse selbst euch heiter,
Kein Defizit trüb' eure Stirn.
Heut nichts von Steuern, keine Zölle,
Gebrochen sei der Staatsschuld Bann:
Was ihr bedürft - in goldner Welle
Schafft's heut mit Niagaraschnelle
Der fleißige Dukatenmann!

Ehrwürd'ge Schar der Diplomaten:
Den Deckel des Port'feuilles schließt zu,
Ruht aus von euren Heldentaten -
Und gönnt auch uns ein bisschen Ruh'!
Kein Grün - und Blaubuch soll entsenden
Heut weder Segen, weder Fluch;
Nehmt andachtsvoll statt dess' zu Händen
Das höhere Wahrheit euch wird spenden
In schlichterm Kleid: Grimms Märchenbuch.

Und du, dem weißere Erkenntnis
Der Dinge Wesenheit erschließt,
Denk' heut: es sei - ein Missverständnis,
Was du mit eignem Auge siehst:
Nimm rings für eitel Marionetten
Der Sterblichen bewegt Gewühl -
An Fäden tanzend, statt an Ketten:
Der Seele Spiegel wird sich glätten,
Du lächelst ob dem Puppenspiel! - -

Du aber Gott der ew'gen Liebe,
Kehr' wieder uns im lichtem Traum,
Lass wandeln sich in heil'gem Triebe
Zur Palme heut den Tannenbaum!
Gib, dass den Sterblichen hienieden
Für diesen kurzen Weihnachtstag
Erfüllung jenes Wort's beschieden:
Sei Ehre dir, auf Erde Frieden! - -
Und morgen - - komme dann, was mag!

Richard Schmidt Cabanis


Weihnacht

Ganz leise in der Heiligen Nacht
Tut auf sich der Wolken Tor,
Draus schweben in glanzumfloss'ner Pracht
Die Engel Gottes hervor;
Sie streifen die schlummernde Erde
Mit ihres Kleides Saum
Und schmücken heimlich am Herde
Den grünen Weihnachtsbaum.

Der Mutter, die bei des Lämpchens Schein
Noch rastlos schaffend sich müht,
Zieht sel'ge Ruhe ins Herz hinein,
Es duftet um sie und blüht;
Des Friedens wonniger Segen
Erfüllt den stillen Raum,
Wie Himmelslichter entgegen
Strahlt ihr's vom Weihnachtsbaum.

Mit sanftem Kusse weckt sie das Kind,
Nun alles bereitet ist:
Steh' auf, mein süßer Liebling, geschwind,
Schon kam der heilige Christ!
Vor Schreck und freudigem Bangen
Wagt es zu atmen kaum,
Jubelnd mit glühenden Wangen
Grüßt es den Weihnachtsbaum.

Doch draußen irrt verlassen umher
Ein Kind durch Eis und Schnee.
Das hat nicht Vater noch Mutter mehr
Und weint in einsamem Weh';
Die Engel jammert sein Leiden,
Sie wiegen's in lichtem Traum,
Und lächelnd sieht es im Scheiden
Den ew'gen Weihnachtsbaum.

Albert Traeger


Ein Schicksal

Das Meer geht hoch, der Christabend graut,
Die Barke naht, vom Nebel dicht umbraut.
Sie trägt den Jüngling, den vom festen Land
Die Sehnsucht zieht zum heim'schen Inselstrand,
Wo ihn erharrt der Eltern trautes Dach,
Wo für ihn pocht des treusten Herzens Schlag -
Dort steigt ganz nah' der Inselstrand herauf,
Dem Fuhrmann gönnt der Jüngling kurzen Gruß
Und steigt ans Land mit froh beschwingtem Fuß -
Der Fährmann rudert heim, der Jüngling eilt
Zum trauten Haus, wo ihm die Liebe weilt. -
Doch weh, wie wird ihm, schaudernd sinkt sein Mut.
Äfft ihn ein Trug? Zu Eis erstarrt sein Blut:
Wohin er blickt, er sieht kein Dorf, kein Haus,
Wohin er geht, grüßt ihn des Meeres Braus;
Das ist die Insel nicht, die ihn gebar,
Die nahe Sandbank ist's, nun sieht er's klar,
Der Nebel hat getäuscht des Fährmanns Blick,
Und ihn erharrt ein grässliches Geschick: -
Denn diese Bank, die jetzt dem Meer entsteigt,
Wird rasch - er weiß es - von der Flut erreicht,
Schon naht sie her, durch dichte Nebelwand
Dringt, ach, kein Schrei zum teuren Heimatstrand.
Stets dunkler wird's; horch! In des Meer's Gesang
Vom Eiland her tönt milder Glockenklang;
Indes die Flut schon kalt den Fuß ihm nässt,
Einläuten sie das frohe Weihnachtsfest;
Zum Kirchlein nun zieht seiner lieben Schar,
Weh! Ahnt kein Sinn die grässliche Gefahr?
So nah das Land! Die Rettung, ach, so leicht!
Umsonst! Er fühlt's, wie jäh die Sorge steigt;
Er weiß: im Kirchlein, durch die heil'ge Nacht.
Nun tönt's: "Das ist der Tag, den Gott gemacht",
Und von der Kanzel tut des Vaters Mund
Der Christenschar die frohe Botschaft kund;
Wie oft vordem lauscht' er dem Wort mit Lust.
Und sang das Lied aus kindlich-frommer Brust!
Herauf vor ihm steigt seiner Jugend Bild,
So freundlich-klar, so still-vertraut, so mild!
Dann hüllt ihn ein der Woge grauer Schaum
Und spült hinweg des Lebens bangen Traum;
Und als des Christtags düstrer Morgen graut,
Hängt starr am starren Mund die bleiche Braut.

Albert Möser


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