Weihnachtsbaum


Der Weihnachtsbaum

Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht;
schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wetter und Stürmen besteht;
schön ist im Herbst des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.

Keiner kann mir ein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geäst,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten, sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichen Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend von allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum!

Heinrich Seidel


Zu Weihnachten

Das ist der liebe Weihnachtsbaum.
Ja solch ein Baum!
Der grünt bei Schnee, der glänzt bei Nacht
wie die himmlische Pracht,
trägt alle Jahre seine Last,
Äpfel und Nüsse am selben Ast,
Zuckerwerk obendrein -
so müßten alle Bäume sein!
Nun hat ihn gebracht der Weihnachtsmann,
drei Kinder steh'n und seh'n ihn an.

Das erste spricht:
"Der ist doch Weihnacht das Schönste, nicht?"
Das andre: "Woher an Äpfeln und Nüssen
Gold und Silber wohl kommen müssen?
Ich denk mir, das Christkind faßte sie an,
gleich war Gold oder Silber dran."
Das dritte: "Christkind müßte einmal
den ganzen Wald so putzen im Tal;
dann würde gleich aller Schnee zergeh'n,
und dann - das gäb ein Spazierengeh'n!"

Victor Blüthgen


Der Traum

Ich lag und schlief; da träumte mir
ein wunderschöner Traum:
Es stand auf unserm Tisch vor mir
ein hoher Weihnachtsbaum.

Und bunte Lichter ohne Zahl,
die brannten ringsumher;
die Zweige waren allzumal
von goldnen Äpfeln schwer,

Und Zuckerpuppen hingen dran;
das war mal eine Pracht!
Da gab's, was ich nur wünschen kann
und was mir Freude macht.

Und als ich nach dem Baume sah
und ganz verwundert stand,
nach einem Apfel griff ich da,
und alles, alles schwand.

Da wacht ich auf aus meinem Traum,
und dunkel war's um mich.
Du lieber, schöner Weihnachtsbaum,
sag an, wo find ich dich?

Da war es just, als rief er mich:
"Du darfst nur artig sein;
dann steh ich wiederum vor dir;
jetzt aber schlaf nur ein!

Und wenn du folgst und artig bist,
dann ist erfüllt dein Traum,
dann bringet dir der heil'ge Christ
den schönsten Weihnachtsbaum."

Hoffmann von Fallersleben


Der erste Weihnachtsbaum im eigenen Heim

Du warst mir heilig immer
Seit früh'stem Kindheitstraum,
Im goldnen Strahlenschimmer,
Du lichter Tannenbaum!

Wie ich in Nacht mich härmend,
Auch rang in tiefster Qual,
Du sandtest, still erwärmend,
In meine Brust den Strahl!

Doch heut zum schönsten Feste,
Heut strahle wie noch nie!
Streck' segnend deine Äste
Hin über mich uns sie!

Flamm' auf im Glanz der Kerzen! -
Oh wie du schön erscheinst,
Nun du zwei junge Herzen
Zum ersten Mal vereinst!

Ernst Scherenberg


Heiliger Abend

Der Pfarrturm, der alte, treu hält er die Wacht.
Nun singt er den Gruß der heiligen Nacht;
aber das Läuten, du hörst es kaum,
zu viel Lärmen ist sonst im Raum.
Auf dem Marktplatze jetzt um den Brunnen herum,
was ist doch da für ein Gesumm,
und tönt in alle Gassen aus
und in den Gassen in jedes Haus;
denn ach, des Weihnachtsbaumes Geflimmer,
die höchste Lust, blüht ja im Zimmer!

Noch stellt dem Heiligsten sich vor
die Zimmertür als Himmelstor;
wie stürmen sie im dichten Wall
dagegen an, die Sel'gen all!

Fasst ihr's, ihr Kinder groß und klein?
Minuten noch, dann geht's hinein!
Und drin wird's heller, heller, heller -
horch, klapperte das nicht wie Teller?
Und roter werden noch die Backen -
ich glaub, das klang wie Nüsseknacken!
Da huschte ein Schatten vors Schlüsselloch:
"Ach, lieber Papa, nun öffne doch!"
"So ungeduldig?" "Ach, Väterchen, nein,
ich mein' ja nur so! . . . " "Nun, Völkchen, herein!"

Da quillt aus offnem Gnadentor
ein Strom von goldenem Licht hervor.
Im Jubel bebt der Fuß zurück,
weit auf das Auge, dann schließt sich's vor Glück,
lässt blinzelnd nun und Schein auf Schein
nur fünkchenweise Licht herein;
dann öffnet sich's, wie's nur kann, so weit -
hinein denn in die Seligkeit! . . .

Dort stehen die Alten Arm in Arm
und lächeln auf den Bienenscharm,
wie um den Tisch in wilder Flucht
ein jedes nach seinem Honig sucht.
Das ist ein Gucken, Fragen, Lachen.
Erstaunen und Gesichtermachen,
denn, was ein jeder Platz enthält,
aufblüht's zu einer Wunderwelt
und wandelt Pfefferkuchenduft
zu Fee und Kobold in der Luft.
Die Braune dort, gibt sie nicht schon
der Puppe mütterlich Lektion?
Die andre mit der kleinen da,
fühlt sie sich nicht als Großmama?
Doch du, du Bürschlein, blond und wild,
bist meiner Kindheit Ebenbild;
ich weiß, von Reisen unerhört
kommst eben du auf dem Schaukelpferd,
und wie du das Gewehr genommen,
mögen nur die Franzosen kommen!
Wie du, führt ich die Zinnsoldaten
zu ungeahnten Heldentaten,
hab mit dem Holzschwert, wie du heut,
einst manches Land vom Tyrannen befreit
wie du, mit der Knallpistole jetzt
den Drachen Todesschüsse versetzt.
Bursch, wie's mich selig übertaut!
Ich glaub, ich steck in deiner Haut,
weiß wieder, als hätt' ich mich nie geirrt
wie hold die Zukunft blühen wird,
weiß, wie ich einst aus dem Verstecke
die Tugend ruf, die Sünder schrecke,
und Taten dabei vollführe, Taten,
wie keinem Helden sie je geraten,
daneben aber als großer Mann
Besuche mit Kuchen traktieren kann,
bis, wie die Bleient' um den Magnet,
um meinen Willen die Welt sich dreht,
bis niemand, als Papa allein,
mir reden darf ein Wörtchen drein,
bis ich, der glücklichste Mann der Erde,
Konditor oder König werde! . . .

Doch schweigend sehn in guter Ruh
die Alten all dem Treiben zu,
denn keusch aus der Vergangenheit
grüßt sie die eigne Kinderzeit.
Die Hände, die einst sie bedacht,
die Augen, die einst sie bewacht,
sie tauchen bei der Kleinen Lust
wehmütig auf in ihrer Brust,
und was noch Ausweg sucht im Wort,
nach innen bald spinnt's weiter fort.
Doch auch der Kleinen Freudenbraus
klingt nun in leises Summen aus,
wie Lerchentriller leiser wird,
je näher er dem Himmel schwirrt.
Und feierlich durchweht den Raum
Dein duft, du lieber Tannenbaum,
der du, wenn's draußen kahl und wüst,
wie Hoffnung in der Trauer glühst.
Aus jeder Lichterblume blüht
Ein Fünkchen Frieden ins Gemüt.
Du machst das Leben ja zum Traum,
den Traum zum Leben, Weihnachtsbaum,
gibst Glück dem, der's verlor, zurück,
Glück des Beglückens, reinstes Glück.

Ferdinand Avenarius


Der letzte Weihnachtsbaum

Jetzt lösch' ich den jährlichen Weihnachtsbaum
Auf immer und ewig aus!
Der Herzen erfreuende Kindertraum
Brennt nie mehr in unserem Haus.

Schon holt' ich der Mutter ein Fichtenreis
Und schmückt' es dem Wiegenkind!
Sie wiegte davor ihr Söhnchen leis,
Sah fast an den Kerzen sich blind.

Im Himmel wer sagt, auf Erden wer weiß:
Was wir da gemeint und gedacht!
Wir schlossen uns stumm in die Arme so heiß
Und weinten vor heiliger Macht.

Denn "Vater und Mutter" das waren nun wir!
Und das Kind vom Himmel war da!
Hell über uns war zu unserer Zier
Uns der Stern, der leuchtende, nah!

Dann traten, mehr Jahre, mehr Kinder heran,
Und freuten die Nacht sich nicht aus -
Das war das ewige Leben! Kein Wahn,
In Segen stand da das Haus!

Jetzt - ist die Mutter gestorben und hin!
Die Kinder sind alle nun groß.
Nun steh' ich einsam mit brütendem Sinn -
Fort, Baum . . . in der Götter Schoß!

Jetzt lösch' ich den letzten Weihnachtsbaum
Auf immer und ewig aus!
Aus ist der tote, verlebte Traum
Und finster bleibt mir das Haus.

Leopold Schefer


Der Weihnachtsbaum

Schön ist im Frühling die blühende Linde,
bienendurchsummt und rauschend im Winde,
hold von lieblichen Düften umweht;
schön ist im Sommer die ragende Eiche,
die riesenhafte, titanengleiche,
die da in Wetter und Stürmen besteht;
schön ist im Herbst des Apfelbaums Krone,
die sich dem fleißigen Pfleger zum Lohne
beugt von goldener Früchte Pracht;
aber noch schöner weiß ich ein Bäumchen
strahlt in der eisigen Winternacht.

Keiner kann mir ein schöneres zeigen:
Lichter blinken in seinen Zweigen,
goldene Äpfel in seinem Geäst,
und mit schimmernden Sternen und Kränzen
sieht man ihn leuchten, sieht man ihn glänzen
anmutsvoll zum lieblichen Fest.
Von seinen Zweigen ein träumerisch Düften
weihrauchwolkig weht in den Lüften,
füllet mit süßer Ahnung den Raum!
Dieser will uns am besten gefallen,
ihn verehren wir jauchzend von allen,
ihn, den herrlichen Weihnachtsbaum!

Heinrich Seidel


Weihnachtsgruß

Da steh'n wir wieder vor den Opferflammen
am Hochaltar der Liebe treu zusammen,
am grünen Baum, am Weihnachtsbaum,
mit kinderfrohem Sinn im trauten Raum.

Von Liebe schwer, dass jeder Zweig sich bieget,
bis hoch hinauf, wo sich die Krone wieget,
streckt er die vielen vollen Arme aus!
Er bringt den Jubel uns ins stille Haus.

O, hört ihr säuseln es in seinen Zweigen,
o, hört ihr klingen sie, die Weihnachtslieder?
O, seht die Engelschar in lichten Reigen,
sie steigt zum lieben Kinderherzen nieder.

Dann grünt und blüht sie auf und reift, die Tugend
im Hauch der Lieb', im gold'nen Lichtessaum.
O, sei mir hoch gegrüßt, du Freund der Jugend,
du Himmelsbote, heil'ger Weihnachtsbaum!

Peter Rosegger


Den Lichtgenossen

Hundert Kerzen trägt die Fichte,
prangt in ihrem Silberlichte,
wie ein reicher Märchentraum. -
So als hundert Seelenflammen
stellt das Schicksal uns zusammen,
Lichter uns am Lebensbaum.

Und wir Nachbarn in der Runde
einen uns zum Feuerbunde:
Heller strahlt ein heit'rer Glanz!
Wo der eigne Schimmer endet,
was der andern Glut gespendet,
wohl kein Flämmchen weiß es ganz.

Doch wenn eines tiefer brannte,
schneller seine Kraft versandte,
flackernd in die Nacht verging:
Merkt ein jedes von uns Frohen,
die noch ruhig weiterlohen,
was es Licht von ihm empfing!

Einmal dann im Dämmerraume
am verödet düstern Baume
brennt ein letztes noch allein.
Von sich selber nur zu zehren
in dem Dunkel, in dem leeren -
Mög nicht ich dies letzte sein.

Hanns von Gumppenberg


Der schönste Baum

Sag' an, wie heißt der schönste Baum
Auf diesem Erdenrund,
Seit einst im Paradiesesraum
Der Baum des Lebens stund?

Die Palme grüßt im Morgenland
Des Pilgers Aug' entzückt,
Wenn ragend er im Wüstensand
Ihr hohes Haupt erblickt.

Schön ruht sich's an der Eiche Fuß,
Wenn durch den grünen Wald
Der Jägerschar des Waldhorns Gruß
Zum muntern Mahle schallt.

Die Linde glüht im Abendglanz,
Umweht von Blütenduft,
Wenn durch das Dorf zum Erntetanz
Des Spielmanns Fiedel ruft.

Doch schöner glänzt im Kerzenschein
Der Tannenbaum, fürwahr!
Wenn nur der Vater ruft "Herein!"
Der frohen Kinderschar.

Wenn dann ins lichte Heiligtum,
Geblendet und entzückt,
Vor Freude bang, vor Staunen stumm,
Das Kindervolk sich drückt;

Wenn wonnevoll der Eltern Blick
Sich auf die Kleinen senkt
Und an der eignen Kindheit Glück
Mit süßer Wehmut denkt:

Da blüht in finstrer Winternacht,
Umstarrt von Schnee und Eis,
Ein Frühling auf in bunter Pracht
Am dunklen Tannenreis.

Da bringt der schlichte Tannenbaum
Des Paradieses Glück,
Der ersten Unschuld Kindheitstraum
Der armen Welt zurück.

Und draußen blickt der Sterne Schar
Mir wunderholdem Schein
Wie Engelsaugen mild und klar
Vom Himmel hoch herein.

Und aus der Himmel Himmel sieht's
Herab mit Vaterblick,
Und durch die dunkeln Lüfte zieht's
Wie himmlische Musik.

Also hat Gott die Welt geliebt,
Dass er aus freiem Trieb
Und seinen Sohn zum Heiland gibt;
Wie hat uns Gott so lieb!"

Karl Gerok


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