Die Weihnachtsgeschichte


Die Hirten

Hirten wachen im Feld,
Nacht ist rings auf der Welt,
wach sind die Hirten alleine
im Haine.

Und ein Engel im Licht
grüßt die Hirten und spricht:
"Christ, das Heil aller Frommen,
ist kommen!"

Engel singen umher:
"Gott im Himmel sei Ehr'
und den Menschen hienieden
sei Frieden!"

Eilen die Hirten fort,
eilen zum heiligen Ort,
beten an in den Windlein
das Kindlein.

Peter Cornelius


Am Weihnachtstag

Still ist die Nacht; in seinem Zelt geboren,
der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen,
wann Judas mächtiger Tyrann erscheint;
den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange
dem Stern, der gleitet über Äthers Wange,
wie Freudenzähre, die der Himmel weint.

Und fern vom Zelte über einem Stalle,
da ist's, als ob aufs nied're Dach er falle;
in tausend Radien sein Licht er gießt.
Ein Meteor, so dachte der Gelehrte,
als langsam er zu seinen Büchern kehrte.
O weißt du, wen das nied're Dach umschließt?

In einer Krippe ruht ein neugeboren
und schlummernd Kindlein; wie im Traum verloren
die Mutter knieet, schlichter Mann rückt tief erschüttert
das Lager ihnen; seine Rechte zittert
dem Schleier nahe um den Mantel noch.

Und an der Türe steh'n geringe Leute,
mühsel'ge Hirten, doch die ersten heute,
und in den Lüften klingt es süß und lind,
verlor'ne Töne von der Engel Liede:
"Dem Höchsten Ehr' und allen Menschen Friede,
die eines guten Willens sind."

Annette von Droste-Hülshoff


Idylle

Maria unterm Lindenbaum
lullt ihren Sohn in Schlaf und Traum.

Her Joseph auch, der wackre Greis,
ist eingenickt und schnarcht ganz leis.

Vier Englein aber hocken dicht
auf einem Ast und schlafen nicht.

Sie schlafen nicht und singen sacht,
kein' Nachtigall es besser macht!

Groß überm Wald her, Himmelsruh,
hebt sich der Mond und guckt herzu.

Maria reißt die Augen auf,
ihr fiel ein Schlummerkörnlein drauf.

Und ist erst in der halben Nacht,
daß sie bei ihrem Kind gewacht.

Sie sieht in all den Silberschein
mit großen Augen still hinein.

Hört kaum das Lied von obenher,
ihr Herz ist bang, ihr Herz ist schwer,

ein Tränlein fällt ihr auf die Hand
und blitzt im Mond wie ein Demant.

Gustav Falke


Bethlehem

Aus voller Silberschale
gießt fahles Licht der Mond.
Mit blendend hellem Strahle
ein Stern am Himmel thront.

Eine ärmliche Bauernhütte
verklärt er mit feurigem Lohn,
drin ruht auf weicher Schütte
Maria mit dem Sohn.

Aus fernen Morgenlande
auf sterngewiesenem Pfad,
im schimmernden Prachtgewande
sind die drei Könige genaht.

Sie knieten anbetend vorm Knaben
und küßten ihm Stirn und Haar
und brachten kostbare Gaben:
Gold, Weihrauch und Myrrhen ihm dar.

Ein Hirtenbub stand ferne,
scheu abwärts den Blick gesenkt,
auch er hätt' gar so gerne
dem Heiland etwas geschenkt.

Er hat nichts, das er böte,
ist aller Gaben bar:
Auf seiner Hirtenflöte
bringt er ein Lied ihm dar.

Da wendet sich von den Königen
der Knab und lächelt süß
und lauscht dem zaubertönigen
Lied, das der Hirt ihm blies.

Die Englein hörten schallen
das Lied und machten es kund:
Den Menschen ein Wohlgefallen
und Frieden dem Erdenrund!

Richard Zoozmann


Christnacht

Der Engel der Verkündigung:

Seraphimsche Heere,
Schwingt das Goldgefieder
Gott dem Herrn zur Ehre,
Schwebt vom Himmelsthrone
Durchs Gewölk hernieder,
Süße Wiegenlieder
Singt dem Menschensohne!

Ein Hirte:

Was seh' ich? Umgaukelt mich Schwindel und Traum?
Ein leuchtender Saum
Durchwebt den azurnen, ewigen Raum,
Es schreiten die Sterne des Himmels entlang,
Mit leisem Gesang,
Der seligen Scharen musikalischer Gang.

Chor der Hirten:

Die Engel schweben singend
Und spielend durch die Lüfte,
Und spenden süße Düfte,
Die Lilienstäbe schwingend.

Chor der Seraphim:

Wohlauf, ihr Hirtenknaben,
Es gilt dem Herrn zu dienen,
Es ist ein Stern erschienen,
Ob aller Welt erhaben.

Chor der Hirten:

Wie aus des Himmels Toren
Sie tief herab sich neigen!

Chor der Seraphim:

Lasst Eigentriebe schweigen,
Die Liebe ward geboren!

Der Engel der Verkündigung:

Fromme Glut entfache
Jedes Herz gelind,
Eilt nach jenem Dache,
Betet an das Kind!

Jener heißerflehte
Hort der Menschen lebt,
Der euch im Gebete
Lange vorgeschwebt.

Traun! Die Macht des Bösen
Sinkt nun fort und fort,
Jener wird erlösen
Durch das Eine Wort.

Chor der Hirten:

Preis dem Geborenen
Bringen wir dar,
Preis der erkorenen
Gläubigen Schar.

Engel mit Lilien
Stehn im Azur,
Fromme Vigilien
Singt die Natur.

Der den kristallenen
Himmel vergaß,
Bringt zu Gefallenen
Ewiges Maß!

Der Engel der Verkündigung:

Schon les' ich in den Weiten
Des künft'gen Tages bang,
Ich höre Völker schreiten,
Sie atmen Untergang.

Es naht der müden Erde
Ein frischer Morgen sich,
Auf dieses Kindes "Werde"
Erblüht sie jugendlich.

Chor der Seraphim:

Vergesst der Schmerzen jeden,
Vergesst den tiefen Fall,
Und lebt mit uns im Eden,
Und lebt mit uns im All!

August von Platen


Seite: Weihnachtsgeschichte weihnachts geschichte Weihnachten Geschichte