Christbaum
Hörst auch du die leisen Stimmen
aus den bunten Kerzlein dringen?
Die vergessenen Gebete
aus den Tannenzweiglein singen?
Hörst auch du das schüchternfrohe,
helle Kinderlachen klingen?
Schaust auch du den stillen Engel
mit den reinen, weißen Schwingen? ...
Schaust auch du dich selber wieder
fern und fremd nur wie im Träume?
Grüßt auch dich mit Märchenaugen
deine Kindheit aus dem Baume? ...
Ada Christen
Kind:
O Mutter, was hab' ich ein Bäumchen gesehn,
War voll von Kerzen, die brannte so schön;
Da glänzten von Gold und von Silber so viel,
Zum Essen so vieles, so Schönes zum Spiel.
Sie sagten das habe zur heiligen Nacht
Christkindchen herab vom Himmel gebracht;
Christkindchen hat uns doch alle so wert,
Warum hat's mir kein Bäumchen beschert?
Mutter:
Dein Bäumchen steht im Himmel noch
Und hast du's auch nicht, es gehört dir doch;
Und kommst dereinst zu des Himmels Höh'n,
Dann ist ein Baum gar groß und schön.
Heinrich Bone
Der Winter ist ein karger Mann,
er hat von Schnee ein Röcklein an;
zwei Schuh von Eis
sind nicht zu heiß;
von rauhem Reif eine Mütze
macht auch nur wenig Hitze.
Er klagt: "Verarmt ist Feld und Flur!"
Den grünen Christbaum hat er nur;
den trägt er aus
in jedes Haus,
in Hütten und Königshallen:
den schönsten Strauß von allen!
Friedrich Wilhelm Weber
Rings umhaucht von Frühlingslüften
In des Gartens sanftem Winkel,
An den Bretterzaun gelehnt,
Steht im März der alte Christbaum.
Der vordem an Weihnachtstagen
Hell gestrahlt im Lichterscheine,
Kahl nun längst und bar des Schmuckes
Trauert er im Sonnenlichte.
Seltsam fremd schaut hin der Arme
Auf das junge Blütenleben;
Knospen schon treibt der Holunder;
Ihm zu Füßen blühn die Primeln.
Die ihn fröhlich einst umtanzten
Im Dezembermond, die Kinder,
Würd'gen spielend keines Blick's ihn,
Und der Gärtner stößt ihn seitwärts.
Selbst die Spatzen, die im Winter
Schutz gesucht in seinen Zweigen,
Schau'n verächtlich auf ihn nieder,
Und wie Hohn erschallt ihr Zwitschern
Und er denkt: oh, ständ ich wieder
Einmal noch im grünen Walde,
Dürft' ich blühen mit den Brüdern
Und wie sie im Walde rauschen!
Eitler Wunsch! Erkenntnis sagt ihm:
Seine Zeit ging längst vorüber,
Überflüssig und vergessen,
Ist er längst sich selbst zur Last.
Und er wünscht: Mitleid'ge Hand
Machte rasch der Pein ein Ende,
Bräch' ihn ganz und ließ in Flammen
Ihn empor zum Himmel lodern.
Albert Moeser
Wie schön geschmückt der festliche Raum!
Die Lichter funkeln am Weihnachtsbaum!
O fröhliche Zeit, o seliger Traum!
Die Mutter sitzt in der Kinder Kreis;
Nun schweiget alles auf ihr Geheiß:
Sie singet des Christkinds Lob und Preis.
Und rings vom Weihnachtsbaum erhellt,
Ist schön in Bildern aufgestellt
Des heiligen Buches Psalmenwelt.
Die Kinder schauen der Bilder Pracht
Und haben wohl des Singens acht,
Das tönt so süß in der Weihnacht!
O glücklicher Kreis im festlichem Raum!
O goldne Lichter am Weihnachtsbaum!
O fröhliche Zeit! O seliger Traum!
Peter Cornelius
Heiliger Baum, paradiesischem Boden entsprossen,
Hast du denn wieder die flammenden Blüten erschlossen?
Haben bei Nacht Engel dich wiedergebracht
Sündigen Erdengenossen?
Heiliger Baum, uns vom himmlischen Vater entzündet,
Dass er in Liebe die Kinder des Höchsten verbündet!
Grünender Reis mitten im Schnee und Eis,
Das uns den Frühling verkündet!
Heiliger Baum, so verbreite die duftenden Äste
Wieder durch, niedrige Hütten und stolze Paläste,
Lade herein in den entzückenden Schein
Tausend beseligte Gäste!
Kommet, ihr Kinder, ihr seid ja vor allen erkoren!
Tretet herein zu den leuchtend geöffneten Toren!
Freut euch des Herrn, sieht er die Kleinen doch gern,
Der als ein Kind ist geboren.
Kommet, ihr alten, gedenket verklungener Wonnen,
Kommt, in der Freude der Kleinen euch selber zu sonnen,
Grün ist der Baum, doch wie ein goldener Traum,
Ach, ist die Jugend verronnen!
Kommet, ihr Armen, den König der Liebe zu grüßen;
Ward er doch arm, um den Armen ihr Los zu versüßen;
Hirten vom Feld kamen, von Engeln bestellt,
Sanken dem Kindlein zu Füßen.
Kommet, ihr Reichen, und habt ihr den Baum euch behangen,
Lasset ein Bäumchen für Witwen und Waisen noch prangen!
Seliger ist - lernt es vom heiligen Christ -
Geben als Gaben empfangen.
Kommet, ihr Weisen, und folget dem strahlenden Sterne!
Werdet mit Kindern zu Kindern, so führt er euch gerne,
Wie er die Spur zeigte nach Bethlehems Flur
Pilgernden Weisen von ferne.
Kommet, ihr Heiden, heran von entlegenen Gestaden!
Kommet und sonnt euch im Lichte der göttlichen Gnaden,
Unter dem Baum ist noch für Tausende Raum,
Alles, was Mensch, ist geladen!
Heilige Tanne! - Die Eiche der heidnischen Alten
Stürzte, vom Beil des Apostels der Deutschen gespalten;
Aber dein Grün soll noch Jahrtausende blüh'n!
Amen! Der Höchste wird's walten!
Karl Gerok
Ein Bäumlein grünt im tiefen Tann
Das kaum das Aug' erspähen kann,
Dort wohnt es in der Wildnis Schoß
Und wird gar heimlich schmuck und groß.
Der Jäger achtet nicht darauf,
Das Reh springt ihm vorbei im Lauf;
Die Sterne nur, die alles sehn,
Erschauen auch das Bäumlein schön.
Da mitten in des Winters Graus
Erglänzt es fromm im Elternhaus.
Wer hat es hin mit einemmal
Getragen über Berg und Tal?
Das hat der heilige Christ getan!
Sieh dir nur recht das Bäumlein an!
Der unsichtbar heut eingekehrt,
Hat manches Liebe dir beschert.
Martin Greif
Gott in der Höh' allein sei Ruhm und Ehre
Und Menschen guten Willens Freud' und Frieden!
Frohlocket, groß und klein! Nun sprosst hienieden
Der Christbaum uns, der ewig grüne, hehre!
Hin starb die Welt, die trost- und liebeleere,
Den Fluren gleich, die Sommerlust gemieden:
Da ward uns jener Heilesbaum beschieden,
Das Kreuz, an Hoffnung reich und sel'ger Lehre.
Licht blüht aus seiner Krone, Himmelsgaben
Trägt er, das Herz durch höhern Trost zu laben
Als aller Weisen Kunst und Erdenschätze.
Denn froh verkündigt ist im Engelliede
Des Höchsten Ehr' und guter Menschen Friede,
Und Liebe heißt die Summe der Gesetze.
Franz von Pocci
Der schöne Wald, der grüne Wald
Lässt wachsen Bäume mannigfalt:
Gewaltig, sondergleichen
Stolzieren unsre Eichen;
Doch ihre Frucht ist herb und klein -
Drum sag' ich nein und aber nein
Ich lobe mir was andres.
Die Ulme hebt sich hoch und kühn,
Die Buche treibt ein saftig Grün,
Ehrwürd'ge Bärte hangen
Am Birkenbaum wie Schlangen,
Doch ihre Frucht ist winzig klein -
Drum sag' ich nein und aber nein!
Ich lobe mir was andres.
Wie Honigsüß ist Lindenduft
Beim leisen Hauch der Sommerluft;
Auch tut mich oft ergötzen
Des Eschenlaubes Schwätzen.
Allein, allein - was nützt mir das?
Ich wünsche mir auch sonst noch was,
Ich lobe mir was andres.
Der Ahorn mit dem Fingerblatt,
Die Weide mit den Kätzchen glatt,
Wie Silber anzuschauen,
Die Erle auch, die grauen,
Und alle Bäume her und hin
Sind schön - doch nicht nach meinem Sinn -
Ich lobe mir was andres.
Im ganzen, weiten Waldesraum
Die Krone ist der Tannenbaum,
Wächst auf wie schlanke Kerzen,
Ist grün im Mai und Märzen,
Sein Schatten dunkel, licht und kühl;
Und treibt der Wind sein kosend Spiel,
Webt's heimlich durch den Wipfel.
Und einmal jährlich zieht er aus,
Vom Walde her in unser Haus:
Dann naht sich sacht und leise,
Gar wundersamerweise,
Das wonnige Christkindelein
Und segnet alle Zweigelein -
Heida, das wird ein Leben!
Da wächst und winkt uns Frucht an Frucht,
Von allen Fluren aufgesucht,
Von allen, allen Arten,
Der Baum erblüht zum Garten!
Was Aug' und Herz ergötzen kann,
Das ist in vollster Hülle dran,
Vom Fuße bis zum Gipfel.
Zu übersehn die Herrlichkeit
Sind hundert Lichtlein gleich bereit,
Die alles übermalen
Mit goldnen Sonnenstrahlen.
Das Aug' verträgt den Schimmer kaum -
O, sei gepriesen, edler Baum,
Und der dich so gesegnet!
Friedrich Wilhelm Grimme
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