Weihnachtsgedichte
Motiv: Weihnachten


Weihnachtslied

Vom Himmel in die tiefsten Klüfte
ein milder Stern hernieder lacht;
vom Tannenwald steigen Düfte
und hauchen durch die Winterlüfte,
und kerzenhelle wird die Nacht.

Mir ist das Herz so froh erschrocken,
das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
mich lieblich heimatlich verlocken
in märchenstille Herrlichkeit.

Ein frommer Zauber hält mich wieder,
anbetend, staunend muß ich steh'n:
Es sinkt auf meine Augenlieder
ein goldner Kindertraum hernieder,
ich fühl's, ein Wunder ist gescheh'n.

Theodor Storm


Nun wandelt auf verschneiten Wegen

Nun wandelt auf verschneiten Wegen
die Friedensbotschaft durch die Welt;
aus Ewigkeit ein lichter Segen
in das Gewühl des Tages fällt.
Schon blinkt die Nacht, die Glocken schwingen,
und willig macht die Menschheit halt;
das wilde Drängen, Hasten, Ringen
entschläft; der wüste Lärm verschallt.

Ein Opferduft aus Tannenzweigen,
ein Wunderbaum mit Sternenpracht,
und um den Baum ein Jubelreigen -
das ist das Fest, von Gott gemacht.
O holder Traum, laß dich genießen:
daß alles glücklich, gut und fromm!
Dann mag die Seligkeit zerfließen,
der alte Kampfplatz winken: Komm!

Victor Blüthgen


Weihnachtslied

Die Winde brausen und tosen
über Heide und See;
im Garten die Christrosen
blühn heimlich unter dem Schnee;

heimlich, wie in den Bäumen
es leise treibt und drängt;
heimlich wie süßes Träumen,
das dämmernd den Sinn umfängt,

wenn aus der Luft, der klaren,
Weihnachtsgeläute schwebt,
als hätten vor vielen Jahren
schon einmal wir gelebt, -

als hätte unsre Lippe
schon damals das alte Lied
gesungen, als vor der Krippe
wir weinend niedergekniet; -

als hätten wir selber gesehen
des Sternes leuchtendes Licht
über der Hütte stehen, -
und Mariens reines Gesicht, -

und die Strahlen, welche flirrten
um des Kindes blondlockiges Haar, -
und die Könige und die Hirten -
und der Engel jauchzende Schar.

Marx Möller


Weihnachtsglocken

Weihnachtsglocken, wieder, wieder
sänftigt und bestürmt ihr mich.
Kommt, o kommt, ihr hohen Lieder,
nehmt mich, überwältigt mich!

Daß ich in die Knie fallen,
daß ich wieder Kind sein kann,
wie als Kind Herr-Jesus lallen
und die Hände fallen kann.

Denn ich fühl's, die Liebe lebt, lebt,
die mit ihm geboren wurde,
ob sie gleich von Tod zu Tod schwebt,
obgleich er gekreuzigt wurde.

Fühl's, wie alle Brüder werden,
wenn wir hilflos, Mensch zu Menschen,
stammeln: "Friede sei auf Erden
und ein Wohlgefall'n am Menschen!"

Richard Dehmel


Weihnachtslied

Lieblich wieder durch die Welt
geht die holde Kunde,
die den Hirten auf dem Feld
klang aus Engelsmunde.

Was den Hirten wurde kund,
blieb uns unverloren:
wieder kündet Engelsmund,
daß uns Christ geboren.

Welch ein Glanz durchbricht die Nacht
in des Winters Mitte!
Welche Freude wird gebracht
in die ärmste Hütte!

Winters Nacht und Sorge weicht
hellen Jubel wieder,
und der Himmel wieder steigt
auf die Erde nieder.

Wenn die goldnen Sterne glüh'n
in des Himmels Ferne,
leuchten aus dem Tannengrün
auch viele goldne Sterne.

Haus an Haus mit hellem Schein
flammen auf die Kerzen,
durch die Augen fällt hinein
Licht auch in die Herzen.

Sei willkommen, Weihnachtslust,
kling empor im Liede!
Freude wohn in Menschenbrust,
auf der Erde Friede!

Johannes Trojan


Weihnacht

Ein "Weihnachtslied!" wie manches ward gesungen
Seitdem der Stern ob Bethlehem verglüht!
Du kindlich reinste der Erinnerungen,
Wie ziehst du heute wieder durch's Gemüt,
Der Christbaum glänzt, das ist ein Flimmern, Leuchten,
Dem Kindesblick dehnt sich der Himmel weit,
Aus deinen Augen strahlt's, den wehmutfeuchten:
Das war die fröhlich - sel'ge Weihnachtszeit!

Auch das vorbei! Gelöscht die tausend Kerzen,
Die Christkinds weiße Hand zur Flamm' entfacht,
Manch neues Glück zog ein in deinem Herzen
Und schlich sich fort in zweifelsschwerer Nacht.
Nun lässt dein Auge neidlos andre springen,
Im Reigen jubeln um den Tannenbaum,
Das schönste Lied muss allgemach verklingen,
Als Weiser lächelst du: es war ein Traum!

Allüberall ist Weihnachtszeit auf Erden,
Und jeder Tag des Jahres hat sein Fest:
Wenn gute Taten noch geboren werden,
Noch glimmt von Menschenlieb' in dir ein Nest,
Hörst du's vom sternbesäten Himmel schallen
Wie Orgelbrausen, Glockenfestgeläut':
"Auf Erden Fried, am Menschen Wohlgefallen,
Der Heiland ist aufs neu geboren heut!"

So mag das neu'ste Jahr gefasst und finden,
Wir treten kühn durch seine Pforten ein;
Wie alle frühern wird es lösen, binden,
Dem Hölle nur, dem andern Himmel sein!
Doch in des Christnachtzaubers Dämmerweben,
Draus hell die Liebe strahlt im Lichtermeer,
Sei Festtags - Losung: Freude liegt im Geben!
Anrecht auf Glück hat alles um uns her!

Alfred Beetschen


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